Die Marionettenoper „Philemon und Baucis“ von J. Haydn (komp. 1773) in vervollständigter Neufassung zum 250 Jahr-Jubiläum 2023
Ein Burgenland-Projekt im Sinne von Artistic Research:
Es war genau am 9. September 1773, dass Kaiserin Maria Theresia dem Fürsten Nikolaus I. im Schloss Esterháza einen Besuch abstattete. Zu diesem Anlass wurde auch das dortige Marionettentheater mit dem Singspiel „Philemon und Baucis“ (inkl. dem Vorspiel „Der Götterrat“) von Joseph Haydn, eröffnet. Die Kaiserin war von den Darbietungen derart begeistert (das bekannte Zitat: „Wenn ich eine gute Oper hören will, gehe ich nach Esterháza“ geht auf diesen Besuch zurück), dass sie die ganze Kompanie 1777 in das Schloss Schönbrunn nach Wien beorderte.
Leider ist das ganze Werk nur zum Teil erhalten geblieben: die Musik zum Vorspiel ist zum größten Teil verlorengegangen, die Musik zum Singspiel selbst allerdings fast vollständig erhalten.
Zeitgenössische Versuche, aus dem Torso und dem erhalten gebliebenen Libretto eine aufführbare Version zu erstellen, sind leider wenig befriedigend, da das Vorspiel aufgrund der fehlenden Musik als stark gekürztes Sprechtheater realisiert oder die Handlung der beiden Teile vermischt und zu einem einzigen Stück verbunden wurde. Damit wird man aber der Originalkonzeption des zweiteiligen Werkes – ein burleskes Vorspiel in Balance zu einem moralisierenden Rührstück – weder im künstlerischen wie kulturhistorischen Sinne gerecht.
Deshalb strebt das Institut für Haydn- und Lisztforschung (HLI) der zukünftigen Joseph Haydn Privathochschule (JHP) anlässlich des 250. Jahrestages der Uraufführung, die Wiederherstellung dieser Marionettenoper an.
Anhand der vollständig erhaltenen Libretti werden alle fehlenden Musikstücke des Singspiels („Philemon und Baucis“) und des Vorspiels („Der Götterrat“) nach Originalkompositionen von Joseph Haydn von Studierenden der Kompositionsklassen der JHP adaptiert, arrangiert und editiert. Damit wird erstmalig eine dem Original weitestgehend entsprechende Fassung erstellt, die der ursprünglichen Formdisposition des Kontrastes zweier ebenbürtiger Teile (im Sinne der „Dialektik der Aufklärung“) wieder Rechnung trägt und kann damit einer interessierten Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht werden.
Das gesamte Projekt soll unter Aufsicht des HLI der zukünftigen JHP im Rahmen von Artistic Research innerhalb des Studienbetriebes organisiert und weiterentwickelt werden. Mehrere Kooperationspartner sollen das Gelingen dieses aufwendigen Projekts ermöglichen.
Der Kick-off und die wissenschaftliche Vorbereitung erfolgt durch ein Symposium, das vom HLI mit Fachexperten und Künstlern im Herbst 2023 durchgeführt werden wird.
Aufführungen im Schloss Esterhazy Eisenstadt, im Schlosstheater Schönbrunn in Wien und in den Kulturzentren des Burgenlandes sind im Frühjahr/Sommer 2024 geplant.
Inhalt der Marionettenoper:
Die Geschichte von Philemon und Baucis entstammt der griechischen Mythologie und handelt von der lebenslangen Treue eines Ehepaars, das durch seine uneigennützige Lebensweise und Gastfreundschaft die Welt davor bewahrt, von den zürnenden Göttern vernichtet zu werden. Ähnlich wie in der christlichen Erzählung der Herbergssuche, sind die beiden Protagonisten die einzigen, die die als Wanderer verkleideten Götter Jupiter und Hermes in ihrem ärmlichen Haus aufnehmen und versuchen, sie mit ihren bescheidenen Mitteln auf das Beste zu bewirten. Als Dank wird ihr Haus von Jupiter zu einem prächtigen Tempel verwandelt und die beiden zu Priesterin und Priester geweiht. Im Singspiel wird das Drama noch um die Wiedererweckung des verstorbenen Sohnes und seiner Braut erweitert und damit zu einem wirkungsvollen Happy End geführt.
Das dazugehörige Vorspiel „Der Götterrat“ handelt von einer Audienz Jupiters im Olymp, bei der sich die anderen Götter über die Menschen und ihre verrohten Sitten beschweren und vom Göttervater entsprechende Konsequenzen verlangen. Dieser begibt sich daraufhin gemeinsam mit Merkur auf die Erde, um sich selbst ein Bild zu machen.
Die moralischen Werte der Treue, Gastfreundschaft und Uneigennützigkeit, die im Singspiel thematisiert werden, stehen gleichwertig neben der parodistischen Darstellung der feudalen Umgangsformen der Zeit im Vorspiel und bilden, im Verbund mit Haydns einzigartiger Musik, ein vollkommenes Beispiel „aufgeklärter“ Unterhaltung.