Streichinstrumente: bauliche Modifikation und historische Aufführungspraxis
Duettpartner bei der zweiten Veranstaltung der Reihe “Scientific Duettos” am 10. Juni 2025 waren:
Rudolf Hopfner (Wien): Wenn Geigen gescannt werden: Wie bauliche Merkmale mittels CT-Scan sichtbar gemacht und analysiert werden
Kai Köpp (Bern): Wenn Geigen erzählen könnten: Wechselwirkung von baulicher Modifikation und historischer Musizierpraxis bei Streichinstrumenten
Rudolf Hopfner führte aus, wie mittels 3d-CT die bauliche Substanz historischer Violinen analysiert wird. Dabei zeigte er die Vorteile industrieller CT-Geräte gegenüber medizinischen Apparaten und die in der Organologie adäquate Verwendung von 2D slices und voxel-basierter Visualisierungen. Er erklärte die von ihm angewandten CLUTS zur visuellen Verdeutlichung der Stärkenmessungen und zur Darstellung unterschiedlicher Materialdichten. In den Fokus rückte er die Diagnose von Oberklotzveränderungen zur Adaptation „zeitgemäßer“ Hälse, Umbaumaßnahmen bei angeschäfteten Wirbelkästen, historische Entwicklungen in der Konzeption von Bassbalken, Corpusmodelle von Antonio Stradivari, Differenzen von Schablonen und tatsächlichen Wölbungen von Böden sowie von Deckenstärkeverteilungen in Beziehung zur Position des Stimmstocks. Kai Köpp zeigte aus der Perspektive der HIP, wie Abnutzungsspuren an Corpora von Streichinstrumenten aus der Sicht der Musizierenden zu interpretieren sind und besprach die Grenzen ihrer Deutung. Nach der Erklärung des von ihm für die Aufführungspraxis geprägten Terminus „User Interface“ diskutierte er Umbauten an Viole-d’amore und ihre historischen Besaitungen. Mit einem Blick auf Halskonstruktionen bei Violinen und Violoncelli sowie auf Streichbogenkonstruktionen und ihren Auswirkungen auf das portamento-Spiel wandte er sich der Musizierpraxis zu. Mit der Darstellung der realpolitischen Einflüsse auf die Verbreitung des Tourte-Bogens in Europa im 19. Jahrhundert schloss er seinen Vortrag ab. (BD)
Eingeleitet wurde der Abend von Anna Kandinskaya, die das Adagio aus der Violinsonate in g-Moll (BWV 1001) von J. S. Bach vortrug.
Nächster Termin: 21. 10. 2025, 17:30, Kammermusiksaal der JHP zum Thema “Clavichord und Haydn” mit Tom Beghin und Alfons Huber